Auf dieser Spanischen Karte wird Gibraltar natürlich nicht als englische Stadt ausgewiesen |
Direkt auf der anderen Seite der Bucht von Algeciras, gleich gegenüber der immer noch englischen Stadt Gibraltar, liegt die große Hafenstadt Algeciras, normalerweise der Startpunkt für Reisen nach Marokko. Von hier aus gehen die Schiffe zur gegenüberliegenden spanischen Enklave Ceuta, dem Stadthafen Tanger oder einem etwa vor 10 Jahren aus dem Boden gestampften neuen Hafen Tanger Med, der etwa 30 km östlich der Stadt Tanger liegt.
Der strategisch wichtige Felsen von Gibraltar war seit Ewigkeiten Streitgegenstand zwischen Spanien und England. Zu Francos Zeiten war die Landgrenze nach Gibraltar komplett geschlossen. Eine Fahrt von Algeciras nach Gibraltar, mit dem Auto 20 Minuten rund um die Bucht, verlief damals über Tanger und dauerte einen Tag, von dem benötigten Visum für Marokko mal abgesehen. Das war auch noch bei meiner ersten Marokkoreise 1975 so. Als besondere Freundlichkeit hat Spanien in die Bucht eine riesige Raffinerie genau in Windrichtung vor die Stadt Gibraltar gebaut, die bis heute die englische Enklave vollstinkt. Zu Zeiten der europäischen Einigung wurde die Grenze dann geöffnet, allerdings haben wir es nie geschafft, Gibraltar zu besuchen und die dort lebenden Berberaffen zu sehen. Weil es englisches Hoheitsgebiet ist, konnte man bis vor ca. 20 Jahren, wie auch in England, noch nicht ohne unglaublichen Aufwand mit einem Hund einreisen. Völlig absurd, weil die in Spanien frei laufenden Hunde selbstverständlich die Landesgrenze auch ohne Papiere überschritten. Mit dem Brexit entsteht hier eine EU-Außengrenze, wenn auch von der Ausdehnung her eine sehr kleine.
Im letzten Jahr haben wir uns mehr aus Neugierde entschieden, nicht von Algeciras aus zu fahren. Es gibt keinen Campingplatz und hunderte von Wohnmobilen und LKW warten meist über Nacht auf dem hässlichen Parkplatz eines Supermarktes. Außerdem ist der Hafen ziemlich groß und voll. Ganz anders in Tarifa, nur 20 km weiter westlich Richtung Portugal. Hier fahren nur wenige Schiffe ab, es herrscht kein Gedränge, das Einladen geht schnell, da die Fährschiffe deutlich kleiner sind und keine LKW mitnehmen. Es ist geruhsamer dort, dafür gibt es aber auch weniger zu sehen.
Wir haben auf einem schönen Campingplatz bei Tarifa auf besseres Wetter gewartet. Die Küste direkt am Ausgang der Straße von Gibraltar ist wunderschön und der Strand ist breit und hat feinen Sand. Der Platz hat seinen Namen vom Rio Jara, der hier mündet. Wegen der Regenmengen hatte der Rio Hochwasser und man kam nicht trockenen Fußes an den Strand, was den Hund aber eher erfreute.
Am Samstag, den 11. März entschlossen wir uns, die Überfahrt anzutreten. Ticket und die notwendige Menge an Wein für etwa sechs Wochen hatten wir schon in Algeciras besorgt. Die Fähre sollte um 11:00 Uhr gehen, d.h. 10 Uhr dort sein, also schon um acht aufstehen.
Obwohl nun schon zigmal erlebt, ist so eine Überfahrt immer mit etwas Hektik und Aufregung verbunden.
Wir waren ausgesprochen pünktlich, aber im Hafen gähnende Leere. Die 11 Uhr Fähre fiel aus. Das ist nicht ungewöhnlich, kann am Wetter liegen oder auch daran, dass zu wenig Kunden zu erwarten waren.
Um 13:00 Uhr ging das nächste Schiff. Wir mussten uns also zwei Stunden die Zeit vertreiben und haben ein wenig die Stadt angeschaut, deren vorgelagerte Festungshalbinsel tatsächlich am südlichsten Punkt Europas liegt. Zwei Stunden Wartezeit waren genug, dass sich das Wetter komplett änderte. Der Wind frischte auf, es begann zu schütten.
Europas Südspitze |
Brandung nicht mehr mittelmeermäßig, sondern atlantisch |
Tarifas Strand |
Das Schiff um 13:00 Uhr fuhr zwar nicht nach Tanger Med, wie geplant, sondern nach Tanger Stadthafen, was eigentlich 50 € teurer gewesen wäre, aber was soll's. Hauptsache überhaupt nach Afrika. Es handelt sich um eine Schnellfähre auf zwei Rümpfen, die mehr über das Wasser gleitet als darin zu schwimmen. Der Nachteil, man sitzt wie in einem Intercity, es gibt praktisch kein Außendeck, hat kaum das Gefühl von Schiff. Gerade deswegen ist Eva diese Fähre lieber, auch ohne Geschmack von Freiheit und Abenteuer der christlichen Seefahrt.
Das Einladen ging ganz schnell, der Laderaum war höchstens zur Hälfte mit Autos gefüllt.
Was anders war als sonst immer: Alle Autos wurden einzeln mit Gurten festgezurrt, offensichtlich war die See doch rauer als ich gehofft hatte. Ja, war sie!
Sobald das Schiff den schützenden Hafen verließ, begann die Schaukelei, besser beschrieben: die Aufzugfahrt. Schon nach wenigen Minuten sah man aufgeregte Stewardessen blaue Kotztüten verteilen. Normalerweise stellt man sich schon während der Überfahrt in eine Schlange vor dem Büro eines Zollbeamten, der die ersten Einreiseformalitäten schon an Bord erledigt. Diesmal war das sichere Stehen die Hauptschwierigkeit, von Gehen nicht zu reden. Eine Busladung chinesischer Touristen auf dem Weg nach Tanger war auch an Bord. Die Leute waren schon vor der Abfahrt gelb, beim Anlegen nach gut einer Stunde Seefahrt gegen den Wind waren sie noch gelber. Eine ältere Dame musste von zwei Männern gestützt werden, um aufrecht das Schiff zu verlassen.
Eine junge Frau mit kräftigem roten Haar war nach einer Stunde so leichenblass, dass sie ohne Schminke in einem Zombifilm hätte mitspielen können. Eva saß verkrampft in einem der Sessel und haderte damit, dass ich ihre Sturmwarnungen "in den Wind " geschlagen hatte. Die Cafeteria machte heute kein Geschäft, irgendwie wollte kaum jemand etwas zu sich nehmen, eher im Gegenteil. Aber wie immer, was uns nicht umbringt, macht uns nur härter. Alle haben überlebt, wenn auch mit leichten Magen- oder Kopfschmerzen.
Die Zollformalitäten waren bürokratisch und langsam, aber viel schneller als vor Jahrzehnten, wo man auch schon mal vier Stunden brauchte. Auch ohne Andrang dauerte es gut eine Stunde an Wartezeit, bis wir endlich nach vielen Stempeln und Formularkram das Hafengebiet in Richtung Stadt verlassen durften. Die Frage, ob wir Waffen oder Drohnen dabei hätten, konnte ich mit gutem Gewissen verneinen. Nach Wein hat niemand gefragt.
Ich schreibe diese Zeilen etwa bei Asilah, nach stürmischer Nacht und Regen wie aus Eimern scheint nun die Sonne.
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